Liebe Mitglieder, liebe Interessierte,
am 5.09. ist der Fachartikel mit Ergebnissen der Phase 3 Studie von Vosoritide im Lancet erschienen. Der Titel ist etwas lang, daher hier nur der Hinweis zur Zitation mit Link am Seitenende. Vosoritide ist der Name des Wirkstoffs, der Handelsname ist aktuell noch nicht bekannt. Der Artikel ist auch online erhältlich, allerdings ist er kostenpflichtig und auf Englisch. Daher haben wir uns entschieden, eine deutsche Zusammenfassung zu erstellen. Bitte beachten Sie, dass es sich hier um eine starke Verkürzung handelt. Ebenso sind einige Begriffe und Formulierungen aus dem Bereich der Arzneimittelforschung enthalten.
Datengrundlage des Artikels ist die Phase 3 Studie, die auch in Deutschland lief und deren Datenerfassung im Oktober 2019 endete. Die Studie war randomisiert und kontrolliert (RCT) und entspricht damit dem Goldstandard zur akademischen Untersuchung einer Fragestellung. Insgesamt wurden 121 Kinder und Jugendliche im Alter von 5-18 Jahren in eine Placebo- und eine Interventionsgruppe aufgeteilt. Mit Intervention ist die Gabe von Vosoritide gemeint. Aus dieser Gruppe haben 2 Personen die Behandlung vorzeitig abgebrochen. In der Behandlungsgruppe wurden 15µg/kg (Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht) Vosoritide verabreicht. Dies geschah durch tägliche subkutane (unter die Haut) Injektionen. Diese Dosis hatte in der vorangegangen Phase 2 Studie zur Dosisfindung vergleichbare Ergebnisse zur Dosierung von 30 µg/kg erzielt.
Bei einigen Patient*innen gab es sogenannte Ereignisse von besonderem Interesse und auch schwerwiegende Nebenwirkungen. Insgesamt wurden 9 Ereignisse bei 7 Patient*innen, 4 davon im Placeboarm, gezählt. Hierzu zählen u.a. ein Knochenbruch bei einer Person im Interventionsarm und u.a. die Erhöhung des Kopfinnendrucks bei einer Person im Placeboarm. Die Autor*innen führen keine der schwerwiegenden Nebenwirkungen auf die Intervention zurück. In beiden Armen traten weitere Nebenwirkungen auf. Mit Abstand am häufigsten waren dies Reaktionen an der Einstichstelle in unterschiedlichen Kategorien. Hierzu zählt auch Nesselfieber (Urtikaria). Im Interventionsarm waren Erbrechen, Gelenkschmerzen, Absenkung des Blutdrucks, Durchfall, Influenza und Ohrenschmerzen im Vergleich zum Placeboarm erhöht (min. 5% Unterschied). Die Beobachtung aus der Phase 2, dass Vosoritide Blutdruckwechsel erzeugt, wurde in der Phase 3 genauer beobachtet. Die Beobachtung bestätigte sich in der Phase 3 mit milden und klinisch inkonsistenten Blutdruckwechseln, die ohne weitere Einflüsse vorrübergingen.
In der Studie wurden auch Lebensqualitätsparameter und funktionelle Fähigkeiten erfasst, hier gab es keine klinisch bedeutenden Unterschiede.
Durch die Gabe der 15µg/kg Vosoritide erhöhte sich das Wachstum der Patient*innen deutlich. Die adjustierte Mittelwertsdifferenz (=gewichteter Gruppenunterschied) beträgt 1,57cm jährlichen Wachstums zu Gunsten von Vosoritide. Dieser Effekt ist nicht gleich verteilt. Das Wachstum von Mädchen (1,91cm) war stärker als das von Jungs (1,36cm). Weiterhin gibt es Unterschiede in den 3 untersuchten Altersgruppen (5-8, 8-11 und 11-15 Jahre). Der Effekt war in der Altersgruppe von 8-11 am stärksten (2,32cm), danach 1,35cm bei den 5-8 Jährigen und 0,77cm bei den 11-15 Jährigen. Die Autor*innen weisen darauf hin, dass sich aus den Daten keine Aussagen zur Endgröße ableiten lassen. Inwieweit sich das Wachstum auf Funktion, Lebensqualität und die Aktivitäten des täglichen Lebens übertragen lässt, ist offen. Ob die Gabe von Vosoritide Achondroplasie-bedingte Komplikationen bessert und ob ggf. notwendige Interventionen vermieden werden, ist ebenso unbekannt. Es traten keine signifikanten Veränderungen in den Körperproportionen auf. Hier spekulieren die Autoren, dass entweder eine längere Therapiedauer oder ein früherer Beginn notwendig sein könnte.
Den aktuellen Verfahrensstand finden Sie hier.
Florian Innig
Quelle:
Savarirayan, R. et al., 2020. Once-daily, subcutaneous vosoritide therapy in children with achondroplasia: a randomised, double-blind, phase 3, placebo-controlled, multicentre trial. The Lancet, Vol. 396, p. 684–692.
Online unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31541-5/fulltext